Murat Arslan wegen Präsidentenbeleidigung verurteilt

Am 30. März 2022 hat ein Berufungsgericht in Ankara Murat Arslan wegen Beleidigung des Präsidenten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Er hatte seiner Frau bei einem Besuch im Gefängnis einen Brief für Kollegen und Kolleginnen mitgegeben, der vom Wachpersonal gefunden wurde. In erster Instanz war er noch freigesprochen worden. Dagegen hatte die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt.

Murat Arslan wurde – zusätzlich zu seiner Verurteilung zu 10 Jahren Haft wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer bewaffneten terroristischen Vereinigung – wegen Präsidentenbeleidigung verurteilt, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden hat, ein besonderer strafrechtlicher Schutz des Präsidenten stehe im Regelfall nicht in Einklang mit Art. 10 Europäische Menschenrechtskonvention. Das Gericht wurde darauf von der Verteidigung hingewiesen. Die Richter hörten schweigend zu. Eine mündliche Begründung für das Urteil wurde nicht gegeben.

In seiner Theater Kolumne „Der beleidigte Präsident“ berichtet Can Dünder, während Erdogans Amtszeit sei gegen 160 Tausend Menschen wegen „Präsidentenbeleidigung“ ermittelt worden. Bei etwa 40 Tausend sei es zur Anklage gekommen. Fast 4000 seien schuldig gesprochen und 2600 seien verhaftet worden.

 

Europäische Richtervereinigungen fordern stärkeres Engagement der EU zur Förderung rechtsstaatlicher Standards in der Türkei

Vier europäische Richtervereinigungen (AEAJ, EAJ, Rechters voor Rechters, MEDEL) haben die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der Türkei gegen Murat Arslan zum Anlass eines Schreibens an die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen, die Vizepräsidentin Vera Jourovna, den Justizkommissar Didier Reynolds und andere Vertreter der EU genommen, in dem diese aufgefordert werden, sich stärker für die Wiederherstellung rechtsstaatlicher Verhältnisse in der Türkei einzusetzen .

S. Anhang: Murat-judgement-draft-31-12- clear

Oberster Gerichtshof der Türkei bestätigt Verurteilung Murat Arslans zu 10 Jahren Freiheitsstrafe

Am 3. November 2021 hat der Oberste Gerichtshof der Türkei das Urteil eines erstinstanzlichen Gerichts, mit dem Murat Arslan zu einer 10-jährigen Freiheitsstrafe wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt wurde, bestätigt. Das Urteil besteht lediglich aus zwei Seiten und enthält keinerlei juristische Argumentation.

Eine ausführliche Besprechung des erstinstanzlichen Urteils hat die Zeitschrift „Betrifft Justiz“ veröffentlicht (Dezember 2019 – englische Übersetzung unter https://medelnet.eu/index.php/situation-in-turkey/609-article-about-the-verdict-against-murat-arslan)

30 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus 8 europäischen Ländern besuchen inhaftierte türkische Kolleginnen und Kollegen

Vom 15. bis 20. September 2021 nahmen 30 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Norwegen, Spanien und der Schweiz an einer Strafverhandlung gegen Rechtsanwalt Selcuk Kozagadi und Rechtsanwältin Barkin Timtik statt. Sie sind Mitglieder der Anwaltskooperative CHD und angeklagt, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein. Insgesamt sind 34 Mitglieder der Anwaltskooperative wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagt und teilweise auch schon zu hohen Freiheitsstrafen veruteilt. Einen Teil von ihnen, unter ihnen Selcuk Kozagadi und Barkin Timtik, besuchte die Anwaltsdelegation in den Haftanstalten Silivri, Edirne und Kadira.

Näheres s. Pressemitteilung vom 20. September 2021Press release September 20 2021 Istanbul – final

Generalstaatsanwalt beantragt beim türkischen Verfassungsgericht Verbot der HDP

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der Generalstaatsanwalt der Türkei beim türkischen Verfassungsgericht beantragt hat, die prokurdische Partei zu verbieten. Zugleich hat die Mehrheit des Parlaments dem Abgeordneten der HDP Ömer Faruk Gergerlioglu das Parlamentsmandat entzogen. Im Februar 2021 hat das Oberste Gericht dessen Verurteilung zu einer zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe bestätigt. Er wird der Propaganda für die PKK beschuldigt.

Auf einem Gipfeltreffen der EU-Ratsmitglieder am 25. und 26. März 2021 stehen auch die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei auf der Tagesordnung. Die euopäische Juristenvereinigung ELDH fordert in der anliegenden Erklärung, dass die EU ihrer Kritik des Verbotsantrags und des Entzugs des Abgeordnetenmandats Taten folgen lässt.

 

159 Studierende der Bogazici-Universität in Istanbul festgenommen

Seit Wochen demonstrieren Studierende und Lehrende an der renommierten Bogazici-Universität gegen die Ernennung eines neuen, der AKP nahestehenden Rektors durch Staatspräsident Erdogan. Die Lehrenden versammeln sich jeden Tag auf dem Hauptplatz der Universität und folgen Einberufungen zu Sitzungen nicht mehr. Am 01.02.2021 wurden 159 Studierende auf dem Universitätsgelände festgenommen.

Wir empfehlen zu den Hintergründen ein Interview der Humboldt-Stiftung mit Prof. Dr. Ece Göztepe https://www.humboldt-foundation.de

UN-Sonderberichterstatter für die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten fordert sofortige Freilassung der Richterin Sultani Temel

Am 18.12.2020 hat der UN-Sonderberichterstatter für die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten, Diego García-Sayan, auf Twitter folgende Erklärung veröffentlicht:

I condemn the imprisonment of Judge Sultani Temel. She was purged from her judicial position and jailed for 40 months in Erzurum on phony charges. I call the Government for her immediate release.

Rechtsanwaltskammer Izmir bittet um Spenden für Erdbebenopfer

Der Internationale Rechtshilfefonds: Jurists for Jurists e.V. unterstützt diesen Aufruf und wird Spenden auf sein Konto an die Stiftung der Rechtsanwaltskammer Izmir weiterleiten.

Spendenkonto: Internationaler Rechtshilfefonds Jurists for Jurists e.V.

IBAN DE11 3306 0592 0005 3433 63

Das schwere Erdbeben in der Ägäis am 30.10.2020 traf in Izmir vor allem den Stadtteil Bayrakh. Dort wurden 114 Menschen getötet. Da sich in Bayrakh das Gericht von Izmir befindet, können Tausende von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen ihre Büros nicht mehr nutzen. Die Rechtsanwaltskammer Izmir hat zu Spenden aufgerufen, damit den betroffenen Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen vorübergehend andere Büros zur Verfügung gestellt werden können und sie mit ihren Familien Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten.